Predigt von Pater Jean de Dieu Tagne 31. Sonntag im Jahreskreis vom 03. November 2019
05.11.2019Profiltag in Krems
05.11.2019Liebe Schwestern und Brüdern,
Im Evangelium, welches wir gerade gehört haben, räumt Jesus den Kindern in der Gesellschaft und im Reich Gottes einen besonderen Platz ein. Das Evangelium beginnt mit der Einladung: „Lasst die Kinder zu mir kommen“. Was wollte uns der Heilige Markus mit seinem Bericht über diesen Vorfall sagen? Welche Lektion/Botschaft erhalten wir aus dieser Passage des Evangeliums in Bezug auf unsere Beziehung zu den Kindern? In einem historischen Ansatz möchte ich unsere Reflexion in drei Teilen gestalten: Ein Kind zurzeit Jesu, ein Kind zurzeit (von Josef) Calasanz und ein Kind in unserer Zeit.
Welche Bedeutung hatten Kinder zurzeit Jesu?
Das Evangelium berichtet uns: „Kinder kamen zu Jesus, um seinen Segen zu erbitten, aber die Jünger Jesu schickten sie weg. (Mk 10,13). Diese Reaktion der Jünger ist im Kontext der Zeit ganz natürlich. Die Jünger haben die Kinder nicht weggeschickt, weil sie Jesus gestört haben. Nein, aber zu dieser Zeit, in dieser Kultur, hatten Kinder kein Recht, sie wurden nicht als wichtig angesehen, sie hatten keinen Platz in der Gesellschaft.
Das Judentum neigte dazu, das Kind in seiner Jugend als vernachlässigbar anzusehen. Der eigentliche Eintritt in die Synagoge erfolgt im Alter von zwölf Jahren. Und in der römischen Gesellschaft zur Zeit des hl. Markus war es noch deutlicher: Das Kind war in völliger Abhängigkeit von Erwachsenen. Und das beeinflusste auch die Art, Kinder zu sehen, selbst in der neuen messianischen Gemeinschaft, an die sich Markus richtete. Zum Beispiel gab es zu dieser Zeit bereits Kontroversen um die Taufe von Kindern, um ihre aktive Teilnahme am liturgischen Leben der Gemeinde und um ihren Empfang der heiligen Kommunion.
In einem solchen Kontext vollzieht Jesus eine radikale Veränderung. Jesus tritt für die Kinder ein: ‚Lasst die Kinder zu mir kommen‘. Dies tat er, um zu zeigen, dass das Kind nicht unbedeutend ist. Es ist eine Person, und vor Gott hat es einen unendlichen Wert.
Wie war das zurzeit von Josef Calasanz?
Calasanz ist ein guter Priester, der in der kirchlichen und sozialen Atmosphäre der Zeit sehr geschätzt wird. 1592 verließ er Spanien und ging nach Rom, um Sicherheit für seine Zukunft zu suchen. Bedenken wir, das sind fast 16-hundert Jahre nach Jesus. Doch einmal in Rom stand Calasanz vor einer neuen Realität: Calasanz war schockiert, als er auf den Straßen verlassene Kindergruppen sah. Diesen Kindern wurde aufgrund ihres wirtschaftlichen Hintergrunds die Bildung verweigert. Es gab in Rom Schulen, aber nur für die Reichen. Familien ohne Ressourcen konnten nicht bezahlen, um ihre Kinder zu diesen Schulen zu schicken. Und diesen Kindern musste gleich geholfen werden, morgen könnte es zu spät sein. So traf Calasanz eine radikale Entscheidung:
Er gab sein ursprüngliches Vorhaben auf und widmete sich der Erziehung dieser verlassenen armen Kinder. Und so eröffnete er die erste freie Schule in Rom. Frei für jedes Kind, unabhängig von seiner sozialen Schicht, seiner Religion, seiner Hautfarbe. Eine integrative Schule für integrale Bildung. Im Kontakt mit dieser neuen Realität begann Calasanz einen inneren Prozess der Bekehrung, der ihn weit brachte. Er beschloss, sein weiteres Leben diesen Kindern zu dienen.
Und er schmiedete einen persönlichen Lebensstil mit Tugenden, die diesem neuen Dienst entsprachen: Demut, Einfachheit, Geduld, Freude, Selbsthingabe. Calasanz findet in der Erziehung der Kinder eine einzigartige und besondere Möglichkeit, seinen Glauben zu leben.
Und heute etwas vierhundert Jahre Nach Calasanz: Es gibt die Menschenrechte. Und das Kind hat auch besondere Rechte, bzw. das Recht auf Bildung. Und vieles, was Calasanz errungen hat, bietet der Staat an: Schule, Nachmittagsbetreuung, kostenlose Schule, und vieles Mehr.
Lasst die Kinder zu mir kommen. Wo gehen die Kinder jetzt hin? Wer begleitet sie auf dem Weg zu Jesus? Liebe Brüder und Schwestern, Pädagoginnen und Pädagogen:
Heute liegt der Ball auch in unseren piaristischen Händen. Wir sind Mitarbeiter im Werk Gottes. Wir sind Mitarbeiter mit dem Charisma von Calasanz. Es liegt an uns, dieses Erbe, welches wir erhalten haben, nachhaltig zu prägen. Jeder von uns könnte sich fragen: Ich als Lehrerin oder Lehrer, ich als Ordensmann, ich als Verwalter, ich als Direktorin oder Direktor: Was ist mein Beitrag zu diesem wunderbaren Erbe, das ich erhalten habe? Wie hilft mir die Ausübung dieses wertvollen Berufs, die Nächstenliebe und meine persönliche Berziehung zu Gott zu verbessern? Trägt die Ausübung dieses Berufs dazu bei, ein gutes Verhältnis zu meinen Kollegen und zu den uns anvertrauten Kindern zu haben? Papst Franziskus erinnerte uns (als Nachfolger von Calasanz) in seiner Botschaft daran, dass wir Menschen der Demut und der Geduld sein müssen.
Piarist zu sein, ist per Definition: mit den Kleinen in unseren Schulen und in der Gesellschaft klein zu sein. Das Kind steht im Mittelpunkt unserer Mission. Und unsere Einstellung zu diesen Kleinen gibt uns auch ewiges Leben.
Während dieser heiligen Messe, dürfen wir nicht vergessen, für die Kinder auf der ganzen Welt zu beten: für die Kinder, die immer noch ausgegrenzt sind, für die Kinder, die noch keinen Zugang zu Bildung haben, Beten wir auch besonders für diejenigen, die aufgrund von Kriegen weit von ihrem Zuhause und ihrer Schule entfernt sind, und besondere pädagogische Aufmerksamkeit benötigen würden. Nehmen wir sie in unsere Gebete auf. Amen.